Am 11. Juni 1144 weihte Abt Suger den erneuerten Chor der Abteikirche St. Denis nördlich von Paris, der Hauptstadt des noch kleinen königlichen Frankreich, ein. Diese Weihe wurde quasi zu einer Initialzündung. Es war – wenn man so will – die Geburtsstunde der Gotik, die in den folgenden Jahrzehnten sich über viele Grenzen hin ausdehnte.
Grenzüberschreitend ist die gotische Kathedrale in mehrfacher Hinsicht: horizontal in der geographischen Verbreitung dieses Baustiles, vertikal bei der Errichtung des Baukörpers. Aber grenzüberschreitend (transzendierend) wirkt es auch in uns:
Er führte mich hinaus ins Weite.
Er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen.
Denn ich hielt mich an die Wege des Herrn. (Ps 18,20.22)
Noch heute nähern sich ihr viele Menschen: sie sind ergriffen und staunen allein schon wegen ihrer Schönheit, aber auch Baumasse, freilich auch ob der ingenieurtechnischen Leistungen und Innovationen, die hier vollbracht wurden, ob der geistigen Weite und Tiefe, ob der gläubigen Reife und eines leidenschaftlichen Eifers ihrer Erbauer.
Und wie vielfältig auch sind die Menschen, die an ihr aufschauen, die für sie offen werden, die durch sie dankbar werden und mit ihr einen Weg gehen!
Zu all dem lade ich Sie herzlich ein:
zur gotischen Kathedrale!
Je länger ich mich damit beschäftige – so nimmt das Staunen doch nicht ab, im Gegenteil. Gerne nehme ich Sie darum mit auf diesen Weg, der zwar ein Ziel hat, welches man auch erreicht, doch ohne den Weg hinter sich lassen zu können. Sie ist unerschöpflich, diese nahe und ferne, diese kleine und große Welt. Sie werden sehen oder haben es schon erfahren: Wenn sie anfangen, kommen Sie an kein Ende. Zwar gelangen Sie ans Ziel – und bleiben darin doch unterwegs. Sie werden erfüllt und gesättigt, aber nicht gefüllt und behäbig-satt. Immer wieder öffnet sich ein Raum, eine neue Perspektive – auf dem Weg zur und in der Kathedrale.
Viel Freude!
Ernst Kögler
Nachtrag: Alles Bildmaterial stammt (wenn nicht anders angegeben) vom Autor.